Samstag, 1. August 2015

Menschliches

Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt; sie ist die messbare Seite der Welt. (Martin Seel)
Vor einiger Zeit habe ich einen Artikel über künstliche Intelligenz gelesen und davon, dass die Menschheit vielleicht kurz davor ist, eine Technologie zu erschaffen, die exponentiell schlauer wird, und uns dann urplötzlich in wunder- oder grausamer Weise überlegen ist.
Da stellt sich mir einmal mehr die Frage: was heisst das denn, intelligent zu sein? Das Instrument, das uns zur Verfügung steht, und zwar das einzige, ist unser komplett menschlicher Verstand. Alles, was wir tun, tun wir aus menschlicher Perspektive. Wir können es noch so sehr wollen, alles darüber hinaus bleibt uns verschlossen. Wir messen die Welt mit menschlichen Massstäben und wir beschreiben sie mit menschlichen Worten. Wir berechnen unsere Gesetzmässigkeiten mit menschlichen Formeln und denken unsere menschlichen Gedanken in unseren menschlichen Gehirnen. Also: eigentlich haben wir keine Ahnung, was eine nicht-menschliche Intelligenz sein könnte.
Ausserdem dachte ich ganz lange, dass die Geschichte eine lineare Sache ist, oder sich zumindest irgendwie von links nach rechts und von unten nach oben bewegt. Früher war alles schlechter, und heute ist alles besser. Wir sind nun die klügsten, schönsten und glücklichsten Lebewesen aller Zeiten. Irgendwann hab ich dann doch noch verstanden, dass das nicht so ganz stimmt. Die Geschichte ist nicht mal ein ordentlicher Zickzack oder eine schöne Wellenbewegung, sondern einfach ein wirres Gefüge aus unzusammenhängenden Schnörkeln.
Wir wissen ja, dass wir so vieles nicht wissen. Die Wissenschaft wirkte vor einigen Jahrhunderten auch unheimlich clever. Und trotzdem musste die Sonne dann irgendwann in der Mitte unseres Sonnensystems stehen bleiben. Wir wissen auch, dass unsere Wahrnehmung beschränkt ist. Wir sehen die Blumenwiese nicht wie eine Biene. Und trotzdem halten wir so sehr daran fest, dass wir nur glauben wollen, was uns bewiesen werden kann. Die Wissenschaft geniesst ihre akzeptierte Exklusivität. Alles was unser menschlicher Verstand nicht erfassen kann, ist eben schlicht nicht existent. Was uns fehlt, ist vielleicht ein bisschen Demut und ein offenes Herz.

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